Neue Generation von Werkstoffen und Systemkomponenten entsteht im Erzgebirge

Ideen für erste Forschungsprojekte zum Aufbau des Technologie- und Wirtschaftsclusters Smart Composites eingereicht

Die Unternehmer des Erzgebirges sind aus Tradition visionär. Dieser Tradition verpflichtend hat sich ein Bündnis SmartERZ (Smart Composites Erzgebirge) von derzeit 160 Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft auf den Weg gemacht, um in den nächsten fünf Jahren einen innovationsgetriebenen Strukturwandel in der Region Erzgebirge zu initiieren. Das daraus entstehende Technologie- und Wirtschaftscluster im Rahmen des Programms "WIR! – Wandel durch Innovation in der Region" wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Führung des Projekts übernahm nach über zwei Jahren intensiver Vorbereitung im Sommer diesen Jahres die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH (WFE). Strategische Unterstützung erhält sie dabei vom Bündnisbeirat unter Leitung von Jana Dost, Geschäftsführerin der IHK Chemnitz, Regionalkammer Erzgebirge und der TU Chemnitz.

Interdisziplinäre Forschung ist Prämisse

SmartERZ hat die Aufgabe, die Innovationsfähigkeit der regionalen Unternehmen im Bereich der Smart Composites nachhaltig zu formen und zu stärken. Smart Composites sind neuartige Verbundwerkstoffe wie z. B. textilverstärkte Kunststoffe mit smarten, also intelligenten, Funktionen. Diese entstehen durch das Einbringen von Sensoren, Aktoren und weiteren miniaturisierten Elektronikkomponenten in unterschiedliche Materialien. Smart Composites gelten als Schlüsseltechnologie und verzeichnen ein sehr dynamisches Wachstum. Sie gehören zu den entscheidenden Treibern bei der Entstehung neuer Produkte. Funktionsintegrierte Verbundwerkstoffe machen mit ihren multifunktionalen Eigenschaften z. B. Autos leichter, Brücken sicherer oder Prothesen flexibler. Die Einsatzfelder sind aber bei weitem noch nicht erschlossen und gehen über Massenmärkte auch in absolute High-Tech Nischen der Industrie wie z. B. der Luft- und Raumfahrt.  Nach Expertenschätzungen basieren bis zu 70 Prozent aller neuen Erzeugnisse auf diesen Werkstoffen.

Für den angestrebten Strukturwandel bietet das Erzgebirge eine fruchtbare Basis. Eine Vielzahl flexibler klein- und mittelständischer Unternehmen aus Maschinenbau, Elektrotechnik, Kunststoffverarbeitung, Oberflächentechnik und Textiltechnik arbeiten dazu im interdisziplinären Bündnis mit Hochschulen und Forschungsinstituten gemeinsam zusammen.

Der mit sieben Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft besetzte Bündnisbeirat empfahl am 21. November 2019 auf Basis von Projektskizzen und Präsentationen nach intensiver Prüfung jeweils einstimmig die vier ersten Projekte. Insgesamt 16 Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen fanden sich in den vier Projektteams zusammen. Die ausgewählten Forschungs- und Entwicklungsthemen beschreiben plausibel ihren Beitrag zur SmartERZ-Vision: Das Erzgebirge wird zum führenden Technologie- und Wirtschaftscluster Europas im Innovationsfeld Smart Composites.

Vier Projektteams sind auf dem Weg

Smart Composite Anwendungen bei E-Roller, E-Bikes oder Lastenfahrzeuge sollen im ersten Forschungsverbund eine vollautomatisierte Integration, Kontaktierung und Kalibrierung von elektronischen Funktionselementen erhalten. Notwendig wird dies, da die Herstellung von Smart Composites für diese Mikromobilitätsanwendungen bisher mit einem hohen Maß an manueller Fertigung einhergeht. Das treibt natürlich die Kosten in die Höhe. Es bedarf also intelligenter Plattform- und Bauweisen-Konzepte, die im Projekt „SMARTStrat“ – Prüf- und Fertigungsstrategien für Smart Composite Anwendungen – bis zur Serienproduktion entstehen sollen. Die Komponenten bis hin zu kompletten leichten Elektrofahrzeugen könnten dann mithilfe eines durchgängigen Montagekonzeptes vollautomatisiert und kostensparend im Erzgebirge gefertigt werden. Dem Projektteam gehören die Mogatec Moderne Gartentechnik GmbH, die Hugo Stiehl Kunststoffverarbeitung GmbH, das Steinbeis-Innovationszentrum Automation in Leichtbauprozessen (ALP) sowie die CIP Mobilitiy GmbH an.

Auch im zweiten befürworteten Projekt „eHeatDigiLine“ – Konfigurator basierte Produktionslinie individueller textiler Fahrzeugheizungen für die E-Mobilität – dreht sich alles um das Zukunftsthema E-Mobilität. Ziel ist die Entwicklung einer Technologie zur hocheffizienten Serienfertigung individueller textiler Flächenheizungen für E-Autos. In diesen kann nicht mehr wie bisher bei Verbrennungsmotoren die Abwärme für die Innenraumheizung in der kalten Jahreszeit sorgen. Gefragt sind auch zunehmend individualisierte Lösungen für die textilintegrierten Heizmodule mit mehr Komfort für den Kunden. In einem geplanten Konfigurator sollen Nutzer dann auch bestimmte Heizungsparameter auswählen können. Projektpartner sind die Köstler GmbH, der TITV e.V. und die FlyActs GmbH.

Das Hauptanliegen des geplanten dritten Vorhabens „StrukTronik“ – Strukturkonforme Einbettung von mikroelektrischen Systemen in thermoplastische Verbundstrukturen – ist die Verbindung großserientauglicher Basistechnologien der Kunststoffverarbeitung mit etablierten Prozessen aus der Elektrotechnik/Mikroelektronik. Damit verfolgt das Team das Ziel, die Herstellung dreidimensionaler Leiterplatten als Kernkompetenz der Region zu etablieren. Mit der Integration dieser Mikrosysteme kann zusätzlich die Funktionalität von Leichtbaustrukturen gesteigert werden. Die Technologieentwicklung zur Herstellung elektrisch funktionalisierter Halbzeuge basiert dabei auf endlosfaserverstärkten Thermoplastblechen, sogenannten Organoblechen. In diese sollen Signal-, Sensor- und Stromleitungen im globalen sowie komplexe Sensorelektronik im lokalen Bereich integriert werden. Partner in diesem Projekt sind Komitec electronics GmbH, KSG Leiterplatten GmbH, KOKI TECHNIK Transmission Systems GmbH, EDC Electronic Design Chemnitz GmbH und die TU Chemnitz (Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung).

Das befürwortete vierte Projekt „SmartHydro“ – Technologieentwicklung für intelligente Tankträgersysteme von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen – setzt auf das Trendthema der Brennstoffzellentechnologie und der Entwicklung wasserstoffbetriebener Fahrzeuge. Befüllte Wasserstoffbehälter weisen sehr hohe Drücke von ca. 700 bar auf und müssen damit im Behälter und dessen Trägersystemen höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechen. Diese Trägersysteme dienen auch zum Schutz der Tanks und stellen hochgradig sicherheitsrelevante Bauteile dar. Diesen Aspekt greift das geplante Forschungsprojekt auf. Das Projektteam plant die Technologieentwicklung zur Herstellung dieser Bauteile vollautomatisiert und großserientauglich am Beispiel eines Tankträgersystems aus einem Faser-Kunststoff-Verbund (FKV) für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge. Das Projektteam setzt sich aus den Partnern Formen- und Werkzeugbau Gebrüder Ficker GmbH, TISORA Sondermaschinen GmbH, LSE Lightweight Structures Engineering GmbH und Cetex Institut gGmbH zusammen.

Die Industriepartner und Wissenschaftler feilen in den nächsten Wochen ihre Ideen nach den Hinweisen des Beirats weiter aus und reichen im neuen Jahr entsprechende Förderanträge ein. Jana Dost fasste die Motivation des Bündnisses nochmals zusammen: „Im Erzgebirge kennt man Strukturwandel bereits seit mehr als 800 Jahren. Mit viel Mut und Beharrlichkeit sind die Unternehmen hier seitdem immer aktiv geblieben. Die große Branchenvielfalt ist ein Zeugnis der bewegten Geschichte unserer Region. Mit dem Bündnis SmartERZ verbinden wir die Innovationskraft der Unternehmen verschiedener Branchen mit Erkenntnissen der Forschungseinrichtungen. Das Erzgebirge als Welterbe und Hochtechnologiestandort in einem sind nur oberflächlich gesehen ein Widerspruch: bei genauer Betrachtung gehört beides untrennbar zusammen.“

Das Fördervolumen der ersten vier Projekte liegt bei ca. 3,5 Mio. Euro. Das Gremium wird im nächsten Jahr zu weiteren Forschungsskizzen anhand der Bewertungskriterien Regionalität, Innovationspotenzial, Machbarkeit und Ergebnisverwertung wieder intensiv beraten.

Über das Bündnis SmartERZ

SmartERZ ist ein Netzwerk von aktuell über 160 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Ziel des Bündnisses ist die Initiierung eines innovationsgetriebenen Strukturwandels in der Wirtschaftsregion Erzgebirge. Der Fokus liegt dabei auf der Funktionalisierung von innovativen Werkstoffverbunden (Composites). Das enorme Innovations- und Wachstumspotential derartiger Materialien nutzt die Region Erzgebirge zur Transformation zum Hightech-Standort.

SmartERZ versteht sich als branchen- und unternehmensübergreifendes Technologiecluster, das langfristig regionale Wertschöpfung generiert. Hauptinitiatoren sind die Wirtschaftsförderung Erzgebirge GmbH als Konsortialführer und die TU Chemnitz.

Das Bündnis wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programmes „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“ gefördert.

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